Kommentar von Julia Zimmermann

Jugendreisen, Freizeiten, Wochendtrips, Seminare und Workshops: Das Angebot von Lambda und ähnlichen (queeren) Jugendorganisationen ist vielfältig. Teilnehmen können junge Menschen bis 27. Wer älter ist, ist zu alt …

Die Zielgruppe solcher Veranstaltungen und Orte, wo junge Queers miteinander feiern und einander kennenlernen können, wo sich queere Bubbles bilden und die Szene lebt, pulsiert, ist häufig klar definiert: junge queere Menschen bis 27. Das hängt auch mit der gesetzlichen Definition von „junger Mensch“ in Paragraph 7 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) zusammen. Bis zu diesem Alter stehen also all diese Möglichkeiten offen. Es fällt leicht, sich zugehörig zu fühlen, unter Gleichgesinnten und Gleichalten… Solange man eben noch zu den Jungen gehört. Spätestens, wer die magische Grenze 30 erreicht, scheint raus zu sein.

Für viele ist das ein Alter, ab dem man nun wirklich unwiderruflich zu den Erwachsenen zählt. Aber was ist mit all den anderen Menschen jenseits der 30, die immer noch das gleiche wollen – Teil sein der queeren Szene? Es gibt das Jugendnetzwerk Lambda, aber ein Erwachsenennetzwerk Lambda gibt es nicht.

Das Wort ‚queer‘ wird erst seit den 1990er Jahren als positiver Begriff von der Community wieder verwendet („reclaiming“). Während die Generation der heutigen jungen Queers also ganz selbstverständlich mit diesem Wort als Begriff für die gesamte Szene zusätzlich zu vielfältigen Optionen der Selbstbezeichnung wie lesbisch, pan, trans*, inter*, ace/aro, schwul, bi, … groß geworden ist, fehlt für ältere Menschen ein Überbegriff, unter dem sich alle lsbtiq Personen wiederfinden. Das hängt auch mit der Historie der Bewegungen zusammen: Die Lesbenbewegung hat dafür gekämpft, von der Schwulenbewegung unabhängig zu sein, eigene Treffen nur für Lesben zu veranstalten, sichtbar zu sein und eine eigene Bezeichnung zu haben, nicht nur die „schwulen Frauen“ zu sein.

In der Vergangenheit ging es mehr darum, sich voneinander abzugrenzen, als gemeinsam unter einem Wort vereint zu stehen, zu kämpfen und eben auch sich zu treffen und zu feiern. Hier wird ein Generationenkonflikt der Bewegung und eine Veränderung des Fahrwassers deutlich, was sich auch im Alltagsleben widerspiegelt. Und das ist auch okay, denn nicht alle (jungen) Menschen des lsbtiq-Spektrums müssen sich als queer bezeichnen, sondern es ist wichtig, auch die Sichtbarkeit einzelner ‚Buchstaben‘ zu stärken. Für erwachsene Menschen gibt es daher oft keine allgemeinen queeren Partys, sondern spezifische Angebote für Lesben, Schwule, … ja, tatsächlich meistens vor allem das. Manchmal wird der Begriff auch weiter gefasst: So gibt es beispielsweise in Darmstadt regelmäßig eine sogenannte Frauenparty, die einmal im Monat stattfindet und deren Publikum mindestens als 40+ zu verorten ist.

Häufig haben Veranstaltungen für queere Menschen ab 30 Jahren auch andere Inhalte, eine andere Rahmung und andere Schwerpunkte. Als Beispiele lassen sich die Seminare des Waldschlösschens, viele davon für Schwule, oder auch jährlich wiederkehrende Veranstaltungen wie das Lesbenfrühlingstreffen nennen. Dabei geht es oft jedoch mehr um gezielten thematischen statt persönlichen Austausch. Vernetzung scheint häufig über Vereine stattzufinden, meistens verknüpft mit einem ganz bestimmten „Erwachsenen“- Thema wie „Wohnen im Alter“ oder „Kinderwunsch“. Ein Beispiel für ein themenübergreifenderes Netzwerk ist beispielsweise „Safia – Lesben gestalten ihr Alter“ für Lesben ab 40. Offene, unbeschränkte Räume für queere Menschen, die aus den Jugendnetzwerken als Zielgruppe rausfallen, müssen vielerorts noch geschaffen werden.

Erste Schritte dazu sind Queere Zentren wie in Hannover, die neben Jugendgruppen auch andere altersübergreifende Angebote wie Wanderungen und Gesprächsrunden haben und gezielte Gruppen auch für Menschen jenseits der 30 anbieten. Queere Zentren als Anlaufort für Queers jeden Alters sind gerade stark im Kommen und werden weiter ausgebaut, so setzte sich Ende 2019 die Idee „Queeres Zentrum Mannheim“ bei der Abstimmung des Beteiligungshaushaltes der Stadt durch. Es liegt bei der Generation, die jetzt in ihren 20ern und 30ern ist, ebendie, die das Wort queer kennen und mit einem positiven Gemeinschaftsgefühl, einer Zugehörigkeit zu einer Szene, verbinden, den Begriff auch Menschen, die ihn jetzt erst neu kennenlernen oder sich mit ihm schwertun, näher zu bringen und sie für das Gefühl einer großen queeren Szene durch alle Altersstufen hinweg zu begeistern.