In Kürze kommt die Dokumentation „TRANS – I Got Life“ in die deutschen Kinos! Wir verlosen zum Kinostart 1×2 Kinokarten auf Instagram. Bis zum 21. September kannst du über den Post auf unserem Account teilnehmen.

Worum geht es aber in „TRANS – I Got Life“? out!-Redakteur Fabian konnte den Film für Lambda bereits sehen und hat eine Rezension geschrieben.


So viele Trans*-Stimmen wie nie

Von Fabian Schäfer

300 Mark hat Verena damals bekommen. Das war der Preis für ihr Gesellenstück, ein schwenkbarer Schreibtisch. Sie zeigt ihn stolz. Kurze Zeit später zeigt sie ein Foto von sich und eines aus ihrer Vergangenheit, vor ihrem Coming-out als trans* Frau. Er, also ihr altes Ich, bleibt im Hintergrund, sagt sie in schönstem Bairisch. Ihre Transition sei eine Entscheidung fürs Leben gewesen.

Zuvor begleitet die Kamera sie auf den Friedhof, ans Grab ihrer Großmutter, wo sie sich bekreuzigt. Verena hatte sich zunächst nicht getraut, den Friedhof zu betreten. Es waren noch andere Leute dort, die sie gar nicht als Frau kennen. Zu heikel sei das hier auf dem Dorf gewesen.

Verena ist eine der vielen Protagonist*innen, die in der deutschen Kino-Dokumentation „Trans – I Got Life“ zu Wort kommen. Sie erzählen von ihrem Leben, von Schwierigkeiten und Coming-outs genauso wie vom veränderten Alltag und der Erlösung, seit sie ihr Leben so leben, wie sie es sich vorstellen.

Die Dokumentation reiht die Porträts aneinander. Wir sehen die Charaktere abwechselnd in Interviewsituationen und bei einer sie charakterisierenden Tätigkeit – das ist konventionelle Doku-Machart, mit der Zeit aber etwas ermüdend. Einen Off-Text gibt es nicht. Manche der Menschen treten immer wieder auf, andere erhalten weniger Raum.

Die Vielfalt der Protagonist*innen ist beeindruckend: Die junge Jana, die schon vor der Pubertät ihre Transition begann und manchmal das Gefühl hat, sich beweisen zu müssen. Rikku definiert sich nicht als trans* Mann, sondern sieht es als „Geburtsfehler“. Mik stammt aus Tschechien und ist Eishockeytrainer in Salzburg, Conny betreibt eine Werkstatt und fährt Rallyes. Elisabeth wählte den Namen in Anlehnung an Kaiserin Elisabeth und Elisabeth von Thüringen. Sie und ihre Frau erzählen auch über ihre Kinder. Die Tochter war ganz neugierig und offen, dem Sohn habe plötzlich ein Vater gefehlt.

Ein roter Faden des Films: Der Münchner Chirurg Jürgen Schaff, der laut eigenen Angaben über 8000 trans* Menschen operiert hat. Was er sagt, ist wichtig und richtig: Dass trans* Menschen ein höheres Suizidrisiko haben, dass eine Operation vielen hilft und für manche sogar lebenswichtig ist. Auch reist er nach Russland, um eine Ärztin weiterzubilden und mit ihr zu operieren. Da sagt eine trans* Frau, dass sie in Russland zuerst ein weibliches Gesicht braucht, bevor sie ein Kleid tragen kann.

Dennoch konzentriert sich „Trans – I Got Life“ – wie viele andere Dokumentation über das Thema – einmal mehr sehr auf die Genitalien und Operationen. Diverse Protagonist*innen werden zu OPs befragt, manche sogar währenddessen gefilmt. Ein besonders markanter Punkt in der Doku: Als Jana und ihre Mutter interviewt werden und die Mutter über den richtigen Moment der Transition spricht, denn der Stimmbruch sollte nicht einsetzen, die Geschlechtsorgane sollten jedoch bereits gewachsen sein, „dass es gut Material gibt quasi für die OP“, wie es die Mutter ausdrückt.

Da blockt Jana plötzlich ab. „Das finde ich jetzt ein bisschen zu persönlich“, sagt sie zu ihrer Mutter. „Es geht so um mein Ding“ – sie deutet und blickt an sich nach unten – „und das mag ich nicht, wenn da so drüber geredet wird.“ Dass der Film Jana später bei der Operation begleitet und sogar ihre Hoden zeigt (aus denen noch Spermien „gezüchtet“ werden sollen, wie der Chirurg Jürgen Schaff erklärt), wirkt daher besonders befremdlich.

Denn immer wieder kritisieren trans* Menschen zurecht, dass ihnen übergriffige Fragen zu ihren Genitalien oder Operationen gestellt werden. „Trans – I Got Life“ erfüllt hier einen gewissen Voyeurismus. Es ist schade, dass nicht klarer wird, dass nicht jede trans* Person eine Operation wünscht. Nur der Sänger und Busfahrer Julius fragt: „Wer ist es, der mir sagt, dass ich einen Penis brauche?“ Denn nicht eine Operation oder Hormonbehandlung macht einen trans* Menschen zu einem trans* Menschen. Diese wichtige Perspektive hätte mehr Raum einnehmen sollen, um nicht nur ein Blick von außen zu sein. Auch nicht-binäre Stimmen hätten die Doku ergänzen können.

Dennoch ist es natürlich ein großes Verdienst, dass die zwei Regisseurinnen Doris Metz und Imogen Kimmel fünf Jahre lang an ihrem Film recherchiert und Förderung eingesammelt haben. Auf diese Weise bringen sie so viele Stimmen von trans* Menschen wie noch nie in die deutschen Kinos.

Trans – I Got Life“, ab 23. September 2021 im Kino.

Foto: Antje Kroeger