Sängerin Saskia Lavaux von Schrottgrenze
im Interview mit Eva und K.
„Das Universum ist nicht binär“, „Life is queer“ und „Glitzer auf Beton“ sind nur drei Lieder der 1994 in Peine gegründeten Punk-Band „Schrottgrenze“. Mitten dabei: Saskia Lavaux als Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin. In ihren Liedern fließen politische Statements ein. Es ist eine musikalische Rebellion gegen den Faschismus, Sexismus und Queer- sowie Transfeindlichkeit. Auch privat setzt sich die Musikerin für Themen wie Feminismus oder Body-Positivity ein. Heute ist sie als Gast für die out! im Interview.
Die Band existiert seit 1994. Wie habt Ihr euch über 3 Jahrzehnte verändert? Wie hast du dich verändert?
Saskia Lavaux: Oh, das kann ich hier gar nicht umfassend beschreiben, damit könnten wir ein ganzes Heft füllen oder sogar zwei. Bleiben wir mal bei der musikalischen Entwicklung und inhaltlichen Ausrichtung. Wir sind vor 30 Jahren im Alter von 14 Jahren als Deutschpunk-Band gestartet mit den damals genreüblichen Themen – gegen Nazis, gegen den Staat, Saufen, Sex usw. Im Laufe der Jahre haben wir uns musikalisch total verändert und auch die Art Texte zu schreiben bzw. die Themen haben sich gewandelt – zunächst eher in Richtung Indie-Rock mit lyrischen Texten, später auch feministische Themen. Im vergangenen Jahrzehnt habe ich wiederum mein trans* sein und meine queere Emanzipation zum thematischen Ausgangspunkt der letzten drei Alben genommen. Du siehst also, wir haben eine wilde Reise hinter uns.
Die Band ist ziemlich bekannt, wie wir aus einigen Quellen entnommen haben. Wie bleibt man sich da selber und seinen Maßstäben treu?
SL: Wir hatten spätestens seit den späten 90er Jahren immer eine klare Vorstellung davon, was wir machen wollten und was nicht. Diese Widerständigkeit stand uns aber im Musikgeschäft immer eher im Wege. D.h. wir wären sicher viel bekannter, wenn wir nicht immer so stark „in uns selbst“ geblieben wären. Aber uns war es stets wichtiger, dass wir unsere Platten selbst mögen, als dass wir uns dem Willen einer großen Plattenfirma hätten beugen wollen. Das betrifft sowohl die Auswahl unserer Themen als auch die musikalische Umsetzung. Viele Labels wollten, dass wir einen zugänglicheren Sound machen und als wir begannen queere Themen zu vertonen sprachen viele von „kommerziellem Selbstmord“. Sie hatten alle unrecht, aber das Musikgeschäft ist eben auch ein heteronormativer Sumpf.
Was genau imponiert dir an der queeren Punkszene, was missfällt dir eher?
SL: Ich finds toll, dass es mittlerweile so viele offen-queere Punkbands gibt. An dieser Szene missfällt mir erstmal gar nichts. Natürlich höre ich nicht jeden Sound gleich gern, aber da ist für jede Person was dabei und so soll es gerne weitergehen. Out, proud und loud bitte!
Du bist auch Drag-Künstlerin. Gibt es für dich Unterschiede zwischen Drag und Musik/Songwriting als Ausdrucksformen? Was gibt dir Drag, was Musik?
SL: Musik zu machen und Shows in Drag zu geben sind für mich persönlich sehr wichtige Ausdrucksformen. Wobei ich als trans*Frau streng genommen eine Faux-Drag Queen bin, aber das ändert für mich im Prinzip nichts an meiner Faszination für Drag. Beides sind unendlich weite Felder in denen mensch in unzählige Formen, Rollen oder Klänge schlüpfen bzw. abtauchen kann. Beide Kunstformen können zudem Themen sichtbar, hörbar und erfahrbar machen. Für mich sind das somit wichtige Experimentier- und Spielfelder, die ihre Umsetzung zwar mit unterschiedlichen Mitteln finden, aber dennoch sehr viele Parallelen aufweisen.
Du engagierst dich politisch, für Antifaschismus, Queerfeminismus etc. Was motiviert dich dazu? Beeinflusst dieses Engagement auch deine Kunst?
SL: Natürlich, das politische Engagement aller Bandmitglieder findet seine Entsprechung in der Musik von Schrottgrenze. Wir spielen als Band häufig in queerfeministischen und dezidiert antifaschistischen Kontexten, aber mitunter auch für Aktionen im Kampf gegen die Klimakatastrophe.
Was steht bei der Band und bei dir persönlich als nächstes an?
SL: Wir machen gerade etwas sehr Untypisches für eine aktive Band – wir machen eine Pause auf unbestimmte Zeit. Wir sind gerade im März 2024 still und heimlich 30 Jahre alt geworden und unternehmen absolut nichts, sondern ruhen uns einfach mal aus und schauen, was die Zukunft so bringt. Ich persönlich mache dennoch Musik und habe als Faye Lavaux einige Alben mit Drone Musik rausgebracht. Mein aktuelles Album heißt „God if I saw her now“ und ist eine trans*lesbische Drone-Meditation, die von mir überwiegend auf dem Mellotron komponiert wurde.
Die Thematik unserer Ausgabe ist ja „Utopie“- was ist deine persönliche/politische Utopie?
SL: Auch hier könnte ich ein ganzes Heft füllen, daher hier nur ein bestimmter Aspekt. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die allen ein individuelles geschlechtliches Erleben und Ausleben ermöglicht, ohne Fremdbestimmung, ohne Bevormundung, ohne Entmündigung und ohne Gatekeeping. Und dem sei angefügt, die ultimative Utopie ist für mich natürlich eine Welt ohne Konservative bzw. Nazis bzw. Libertäre usw.
Vielen Dank Saskia für das Gespräch!
Hier könnt ihr die Musik von Faye Lavaux kostenlos hören (und/oder kaufen): god if I felt her now | Faye Lavaux (bandcamp.com)