Eine einsame Stadt – und wie queere Konzepte gegen Vereinzelung helfen können
Kolumne von jonah rausch
Willkommen in der Stadt. Dort, wo Block an Block gereiht ist, und jedes Zulächeln auf der Straße unter catcalls und dem lauten Rattern der Tram unterdrückt wird. Das hier ist Leipzig oder Mannheim oder Köln, es ist egal, es geht hier um das Ganze: Du hattest einen Traum. Ankommen oder: groß rauskommen oder: endlich nicht mehr auffallen, als du vom Land in die Stadt gezogen bist. Oder: studieren, ja das gibt’s auch noch. Aber das, was du jetzt fühlst, ist Einsamkeit. Du kennst nicht einmal die Namen deiner Nachbar*innen.
Das Einzige, was dich mit ihnen verbindet sind die Grunge- und Technosongs die durch die Wand scheppern und zu denen du heimlich tanzt. Und ja, es gibt Orte. Du könntest rausgehen zu diesem Hausprojekt zu jener Party, aber sich wirklich nah fühlen, ja, das erfordert doch noch ein bisschen mehr. Und dank fortschreitendender Individualisierung hat sowieso keine*r mehr wirklich Kapas –
Vereinzelung hittet hart. Laut des Sozio-ökonomischen Panels 2021 (SOEP) gaben rund 42 Prozent der Menschen in Deutschland an, sich einsam zu fühlen – und dass, obwohl wir in Städten so viele Menschen sind.
Es gibt so unfassbar viele weirde Konzepte, die uns Menschen immer weiter auseinandertreiben: Es gibt Vereinzelungsmaschinen. Das kann sein eine Drehtür, wo nur ein einzelner Mensch hineinpasst, Fahrstühle und Bänke mit abgetrennter Lehne. Ein Mensch nach dem anderen. Städtebau nach Sternprinzip: nur eine Bahn aus allen Himmelsrichtungen in die Mitte der Stadt, um zu arbeiten und abends geht es wieder raus.
Für mich ist eins der wichtigsten queeren Konzepte, gegen die Vereinzelung zu arbeiten. Das mag jetzt erstmal viel zu weit hergeholt sein und nicht direkt mit Queerness assoziiert, aber für mich hat Queerness immer bedeutet Verbindungen aufzubauen. Beziehungen außerhalb eines Systems zu denken, dass eine bestimmte, genormte, monogame Vorstellung hat und eigene Gefühle, Bedürfnisse, Gedanken in den Vordergrund zu geben. Sich gegen einen vereinzelten Städtebau aufzulehnen, der Konkurrenz schärft und sich auch zusätzlich auf patriarchale und kapitalistische Grundwerte bezieht. Und zu einigen ersten Konzepten gehört so etwas wie Nachbarschaftsvernetzungen. Im Hinterhaus eine Tauschecke einrichten. Die noch Einander-Fremden zu veganen Grillabenden einladen. Eine utopische queere Stadt würde für mich einschließen, nicht ausschließen: viele öffentliche Orte schließen Menschen verschiedener Religionen und Geschlechter ganz einfach durch ihre Architektur aus: zum Beispiel Sportbäder mit verglasten Wänden, in die Menschen schauen, fast angestarrt werden können oder Betonklötze, auf die sich Menschen mit verkürzter Harnröhre ungern hinsetzen, weil das mal schnell in einer Blasenentzündung enden kann – die Möglichkeit, im öffentlichen RAUM zu finden sind eingeschränkt – das ist noch einmal schlimmer für die, die DAHEIM keinen sicheren Ort finden.
Eine queere Stadt ist eine Stadt voller Verbindungen: Konzepte wie die anarchistische Parkbank sind ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um gegen die Vereinzelung und mehr Verbündetenschaft vorzugehen:
Parkbänke sollen nicht nebeneinander aufgereiht, sondern gegenüber voneinander platziert werden – und definitiv auch ohne Lehne, damit sich Menschen auch auf Parkbänke legen können. Queerer Städtebau heißt auch, die Bedürfnisse anders zu verschieben: Eine Stadt, die nicht gebaut ist, dass man gut zur Arbeit kommt. Bahnlinien zwischen den Vierteln, um Freund*innen zu sehen, zum Sport zu gehen oder in der Natur einmal kräftig durchzuatmen.
Das hier ist die Stadt, die Stadt deiner Träume: Es gibt genug reizfreie Orte, wie Superblocks, in denen Autos nicht fahren dürfen und die Wände bunt angemalt sind. Es gibt Verschenkekisten überall und freundliches Graffiti, dass dir einen schönen Tag wünscht. Es gibt genügend Pflanzen, die du an den Seitenrändern bestaunen kannst und Gesichter, die du anlächelst, die zurücklächeln, die dich kennen. Es kann auf der Straße geheult werden und die Menschen werden nicht sagen: This is your cup of tea. Die Menschen werden fragen, ob sie dir helfen können. Es gibt Sportplätze, die für verschiedene Menschen konzipiert wurden, Tauschecken, Nachbarschaftsvernetzungen. Es gibt Auffangbecken, Achtsamkeit, Holzsitzmöglichkeiten, bunte Wimpelfahnen. Und das Wichtigste: Es gibt dich und man sieht dich. Wenn du durch diese Stadt läufst, will ich, dass es sich für dich wie deine Stadt einfühlt. Wie eine Stadt, die für dich arbeitet und nicht du für sie.