von K
Juni, 2024. Die International Gay & Lesbian Youth Organisation (IGLYO) lädt in Kooperation mit dem Europarat 25 junge Queers aus ländlichen Gegenden ein, um in Budapest einen Bericht über die Situation von jungen Queers aus ländlichen Gegenden zu verfassen. In der Woche gibt es viel Input, aber auch Zeit, um sich untereinander kennenzulernen. Alle sind irgendwie ehrenamtlich tätig, wir entdecken viele Gemeinsamkeiten und tauschen uns über die Hoch- und Tiefpunkte unserer Arbeit aus. Es ergeben sich viele neue Kontakte mit tollen Menschen, die in ihren Organisationen spannende Arbeit leisten. Mit einem von ihnen habe ich dieses Interview geführt.
Könntest du dich und deine Organisation kurz vorstellen?
Mein Name ist Nai Štagar (er/ihm) und ich bin als Freiwilliger des ESC (Europäischer Solidaritätskorps) ehrenamtlich bei TransAkcija tätig. TransAkcija ist eine queere, trans-bezogene und trans-feministische Nichtregierungsorganisation, die für trans*, queere und andere Menschen mit nicht-geschlechtsnormativen Identitäten Arbeit in den Bereichen Advocacy, Gemeinwohl, Bildung & Information sowie Community Building leistet.
Wie ist die aktuelle Situation von queeren & trans Jugendlichen in Slowenien? Welche zentralen Probleme bestehen?
Trans* Menschen können legal ihren Namen und Geschlechtseintrag ändern. Allerdings ist es zum Ändern des Geschlechtseintrags nötig, einen medizinischen Transitionsprozess [1] zu beginnen, was anstrengend ist und bei dem es schon mehrere Jahre dauern kann, allein die nötigen Unterlagen zu erhalten. Es gibt keine rechtliche Anerkennung für nicht-binäre Identitäten. Zudem gibt es, obwohl Geschlechtsidentität und -ausdruck seit 2016 durch das Antidiskriminierungsgesetz geschützt sind, nach wie vor nicht ausreichend rechtliche Mechanismen zum effizienten Schutz vor Diskriminierung. Die gesellschaftliche Haltung gegenüber der queeren Community ist tendenziell ablehnend bis feindselig, vor allem außerhalb der Hauptstadt in ländlicheren Gegenden. Es gibt immer wieder Berichte von Hassrede und Gewalt gegen queere Communities, diese sind in Slowenien nach wie vor ein großes Problem, besonders für trans* und geschlechternonkonforme Jugendliche. Gleichzeitig wird in rechten Medien und in der Politik immer mehr Hass gegen queere Menschen verbreitet.
Inwieweit wird die Situation von struktureller und politischer Gewalt geprägt? Wie beeinflusst diese Gewalt queere und trans* Jugendliche in ihrem Alltag?
Strukturelle und politische Gewalt äußert sich in Slowenien auf vielfältige Weise: Es gibt systematische Ungleichheiten, institutionelle Hürden und soziale Normen, die Diskriminierung und Ausgrenzung aufrechterhalten. Zudem wurden in diesem Jahr zwei neue Gesetzesvorschläge von rechten Parteien unterbreitet, die ausdrücklich queere Menschen angreifen. Schulen haben teilweise keine Richtlinien, die queere Schüler*innen explizit unterstützen, weshalb diese von Mobbing, Ausgrenzung und Isolation gefährdet sind. Es gibt keine Regulationen und Diskriminierung wird als individuelles Problem behandelt, der Umgang damit ist abhängig von der einzelnen Schule. Im Gesundheitssystem erfahren trans Jugendliche Barrieren wie ungenügenden Zugang zu geschlechtsaffirmativer Versorgung und fehlendes Wissen bei Behandelnden. Geschlechtsaffirmative Gesundheitsversorgung ist zudem nur unzureichend gesetzlich geregelt. Ausgehend von meinen persönlichen Erfahrungen im Kontakt mit anderen jungen queeren Menschen kann ich sagen, dass von ihnen am häufigsten die Angst um ihre eigene Sicherheit geäußert wird. Viele von ihnen verbergen ihre Identität und können sich nur in queeren Räumen frei entfalten.
Wie bekämpft ihr diese Gewalt? Welche Mittel nutzt ihr dafür?
Der Fokus von Trans Akcija liegt auf dem Einsatz für Änderungen jener Gesetze und Richtlinien, welche die Rechte von trans Menschen direkt beeinflussen. Zudem setzen wir uns für die rechtliche Anerkennung nicht-binärer Identitäten und Verbesserungen der Gesundheitsversorgung für trans Jugendliche ein.
Wir wollen durch das Anfechten schädigender Gesetze und das Voranbringen inklusiver Richtlinien strukturelle Veränderungen schaffen und bieten gleichzeitig Allies, Institutionen und anderen Akteur*innen Weiterbildung, Wissen und verschiedene Werkzeuge an. Der Community bieten wir kostenlose Beratungen, organisieren Events und Workshops und bieten jeden Freitag queeren Jugendlichen die Möglichkeit, in unser Zentrum zu kommen und dort einfach abzuhängen. Wir organisieren Solidaritätsprogramme und Selbsthilfegruppen, und, was am Wichtigsten ist, knüpfen Verbindungen zu anderen LGBTIQ+ und Ally-Organisationen in Slowenien, um ein Netzwerk der Unterstützung und Resilienz zu schaffen.
Welche Effekte eurer Arbeit nehmt ihr wahr?
Unsere Angebote reichen von direkten Unterstützungsangeboten (Beratung, materielle Unterstützung, niedrigschwellige Angebote) bis zu generellem Empowerment durch Community Building, Netzwerkarbeit, Advocacy und Bildung. Wir hoffen, dass die Menschen, die unsere Angebote in Anspruch nehmen, dadurch besser gerüstet sind, um der cis-heteronormativen Welt entgegenzutreten und in dieser ihre Stimme, ihren Platz und ihre Community finden können.
Gibt es bestimmte Momente aus eurer Arbeit, die euch besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Eins der Dinge, die wir in unserer Organisation machen, ist ein Binder-Solidaritätsprogramm, das durch Spenden ermöglicht wird und trans* Menschen die Möglichkeit gibt, entweder mit unserer Hilfe sicher einen Binder zu bestellen oder einen gratis zu erhalten. Jedes einzelne Mal, wenn ich jemandem einen Binder gebe, sehe ich die Freude auf dem Gesicht der Person. Manche umarmen mich und bedanken sich bei mir. Jedes Mal, wenn ich daran denke, werde ich emotional und es erinnert mich daran, wie sehr die Community solche Dinge braucht. Es erinnert mich daran, wie sehr die Menschen einen Raum brauchen, an dem sie einfach nur sie selbst sein können. Durch die Arbeit bei TransAkcija erlebe ich viele wundervolle Momente mit anderen trans Menschen und diese Erlebnisse motivieren mich, weiter für unsere Rechte zu kämpfen. Alles, was ich tue, ist für die Community, mit der Community.
Was sind eure Pläne für die Zukunft? Was werden eure nächsten Schritte sein und woran arbeitet ihr in der nächsten Zeit?
Unser Fokus liegt auf der Selbstbestimmung bezüglich der Änderung des Geschlechtseintrags – wir wollen, dass trans Menschen die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, ohne dafür eine medizinische Transition starten zu müssen. Wir versuchen zudem den Zugang zu geschlechtsaffirmativer Gesundheitsversorgung zu verbessern und generell Diskriminierung entgegenzutreten. Auch arbeiten wir daran, junge trans* Aktivist*innen zu Problemen bezüglich trans Rechten weiterzubilden, Ally-Organisationen mit Werkzeugen und Wissen auszustatten und in unserer Advocacy-Arbeit stärker mit anderen queeren Organisationen zusammenzuarbeiten.
Vielen Dank für das Interview!
Fußnote
[1] Gemeint ist hier die Evaluation durch eine*n Psychater*in.
Infokasten: Änderung des Geschlechtseintrags in Slowenien
Um in Slowenien den Geschlechtseintrag zu ändern, ist die Vorlage eines Dokuments notwendig, welches aussagt, dass die Person ihr Geschlecht „geändert“ hat. In der Praxis bedeutet dies in der Regel die Evaluation & Diagnose durch einen Psychater*in, welcher dann das benötigte Dokument ausstellt und Allerdings gibt es in Slowenien nur zwei Psychater*innen, die auf die Behandlung von trans Menschen spezialisiert sind und in der Behandlung sind Klient*innen Berichten zufolge teilweise Gatekeeping, Pathologisierung und erniedrigenden Verfahren ausgesetzt.