Edward Harsley schreibt über die Biografie von Laura Jane Grace (Against Me!) und K hat “Wir sind wir – Junge trans* Menschen erzählen” von Kobai Halstenberg rezensiert.

Wir sind wir – Junge trans* Menschen erzählen

Eine Rezension von K

Das Buch „Wir sind wir – Junge trans* Menschen erzählen“ von Kobia Halstenberg, illustriert von Vanessa Mundle, setzt sich aus 18 Berichten junger trans Menschen zusammen. Es wird ein relativ breites Spektrum von Lebenswelten abgedeckt, mir ist positiv aufgefallen, dass mehrere Personen mit Erfahrungen im Jugendhilfesystem und eine Person mit Fluchterfahrung vertreten sind. Die Altersspanne ist relativ groß, die jüngsten Menschen sind 15 und die älteste Person 27 Jahre alt, wobei ein Großteil Ü18 sind. Trans maskuline Personen sind etwas öfter vertreten als trans feminine Personen und es gibt einen erfreulich großen Anteil an nicht-binären Personen.

Die einzelnen Kapitel sind relativ ähnlich aufgebaut, es beginnt meistens mit einer Beschreibung der Kindheit und Jugend der jeweiligen Person, Prozesse der Bewusstwerdung und Coming Outs, häufig werden Wünsche für politische/gesellschaftliche Entwicklungen und einen kleiner Ausblick auf die persönliche Zukunft genannt.

In manchen Kapiteln gibt es noch ein großes Überthema (Flucht, Religion, Geschlechterrollen, etc.), zu dem detaillierter berichtet wird.

Es ist spannend, die Erfahrungen miteinander und mit den eigenen zu vergleichen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu entdecken. Der Schreibstil ist gut verständlich und die Illustrationen lockern das insgesamt doch sehr intensive Buch etwas auf.

Und, was mir bei der Recherche zu diesem Buch nochmal klar geworden ist: es gibt ansonsten so gut wie keine Bücher dieser Art.

Das einzige annähernd ähnliche Buch, das mir bekannt ist (Beyond Magenta von Susan Kuklin), ist über 10 Jahre alt, nur auf Englisch verfügbar und wird als Buch einer cis Frau, die objektifizierend über trans Menschen schreibt, kritisiert. Es gibt ein paar qualitative Studien, Zines, Bücher von Einzelpersonen, aber vor allem wird sehr, sehr viel über junge trans Menschen geschrieben, ohne dass wir in irgendeiner Weise beteiligt sind.

350 Seiten gefüllt mit den Stimmen junger trans Menschen, publiziert in einem großen deutschen Verlagshaus, sind in diesem Kontext etwas Radikales.

Ein paar Hintergrundinformationen hätten mich dennoch gefreut. Wer hatte die Idee für das Buch (die Autor*in? Der Verlag?), wie wurden die Befragten gesucht und ausgewählt, hat die Autor*in einen persönlichen Bezug zu dem Thema? Es wird erwähnt, dass die Texte durch lange Interviews mit den Befragten entstanden sind, aber es gibt ansonsten keine Informationen zum Entstehungsprozess.

Das Buch hat am Anfang eine Liste mit Content Notes, was angesichts der Intensität einiger Inhalte auf jeden Fall sinnvoll ist. Es hätte sich angeboten, die CNs kapitelweise aufzuteilen (so wird es beispielsweise in der Anthologie tin*stories – trans [..] Geschichte(n) seit 1900 gehandhabt), da die Info, dass Thema XYZ irgendwo auf 350 Seiten vorkommt, nichts unbedingt weiterhilft, das Thema zu umgehen (außer mensch liest direkt das ganze Buch nicht). So wirkt die Nutzung von Content Notes eher etwas halbherzig, ist aber ein guter Anfang.

Menschen, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen, wird vieles bekannt sein, vieles hat mensch schon mal irgendwo anders gelesen, aber als Einstieg ist das Buch super. Es ist sprachlich und inhaltlich sehr zugänglich und zeigt junge trans Menschen als die komplexen, vielschichtigen Personen, die wir sind.

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DIY, Punk und Geschlechtsidentität

Edward Harsley rezensiert „Tranny; Confessions of Punk Rock’s most famous Anarchist Sellout.“

Tranny; Confessions of Punk Rock’s most famous Anarchist Sellout. So nannte Laura Jane Grace das Buch, in dem sie über ihr Leben in der amerikanischen DIY- und Punk-Szene schrieb. Ein Leben geprägt von Musik, Politik und, für lange Zeit, der Angst, sie selbst zu sein.

Die trans Frau aus Gainesville gründete mit 16 Jahren die Punk-Band Against Me! Ein Musikprojekt, das sie für 20 Jahre durch die ganze Welt führen sollte. Zuerst als Solo-Projekt, aufgenommen mit einigen geborgten Mikrofonen, einer Akustikgitarre und einem ausgeschnittenen Magazin, als Cover. Ganz im DIY-Style.

Für viele Jahre nutzte Laura Punk-Rock als Ventil für ihre Dysphorie und Wut. Sie schrieb über Anarchie, setzte sich politisch ein und befasste sich mit ihrem eigenen Geschlecht. Sie achtete jedoch genau darauf, nie zu viel preiszugeben. Die Angst vor Zurückweisung, von ihrer Band, Familie und Freunden, war lange Zeit zu groß.

2012 outete Laura Jane Grace sich zum ersten Mal in einem Interview mit dem Musikmagazin Rolling Stone. Ein riesiger Schritt, der ihr Leben und ihre Karriere veränderte. Laura konnte zum ersten Mal ganz offen über sich schreiben und sich ausdrücken.

Sie veröffentlichte das Album Transgender Dysphoria Blues, zwei Jahre nach ihrem öffentlichen Coming-Out. Das Album dreht sich ganz um ihre Erfahrungen, als trans Frau in der Öffentlichkeit und DIY-Szene zu stehen. Es befasst sich mit Transfeindlichkeit, dem eigenen Körper und dem Aufwachsen als Außenseiter*in.

2016 folgte ihr Buch Tranny: Confessions of Punk Rock’s most famous Anarchist Sellout. Über 20 Jahre Musikgeschichte und die ganz persönliche Geschichte von Laura.

Bis heute ist Laura Jane Grace eine wichtige Stimme der DIY-Szene, sowie eine große Inspiration für transgeschlechtliche Menschen auf der ganzen Welt. Gerade durch ihre Zurückweisung von typischer Femininität, die häufig von trans Frauen erwartet wird, sowie durch ihren Aktivismus.

In ihrem Buch gibt sie einen wundervollen Einblick in die Seele des US-Amerikanischen Punk und der LGBT*-Community. Es ist definitiv wert, gelesen zu werden.