Von Emil Trunk Ekanayaka
Wer hat nicht schon mal den Begriff Zine gesehen und ihn als zain gelesen? Tatsächlich kommt der Begriff aber von magazine beziehungsweise von fanzine (also einem Fan-Magazin) und wird wie deren letzte Silbe ausgesprochen.
An alle, die nicht wissen, wovon ich rede – entweder weil sie noch nie das Wort Zine gehört haben oder weil sie die Aussprache von Wörtern kennen: Zines sind kleine, oft durch Kopieren vervielfältigte Selbstpublikationen, die nicht zu Profitzwecken erstellt werden. Zines sehen meistens wie Broschüren aus, was durch eine besondere Falttechnik entsteht. Sie können aber auch zusammengetackert/geklebt/gebunden sein – durch den DIY-Charakter von Zines sind der Kreativität der Ersteller:innen keine Grenzen gesetzt.
Im Anfang schufen Sci Fi-Fans das Zine
Die ersten Zines entstanden in den 1930ern als Möglichkeit für Science-Fiction-Fans, sich auch über Entfernungen hinweg über ihr Interesse auszutauschen. Der Begriff wurde von Russ Chauvenet geprägt, der aktiv in der Science-Fiction- und Fantasy-Szene ab den 1940ern war. Von Anfang an wurden Zines auch von queeren Menschen zur Vernetzung und Kommunikation genutzt. Das wahrscheinlich erste queere Zine war „Vice Versa“, das 1947/48 von Edythe Eyde unter dem Pseudonym Lisa Ben (wenn man die Buchstaben umsortiert ergibt das lesbian) herausgegeben wurde. Auf ihrer Schreibmaschine verfasste Eyde Texte mit lesbischen Bezügen und verteilte die Zines an ihre Freund:innen. [Digitalisate finden sich unter https://queermusicheritage.com/viceversa.html].
Ab den 70ern erfreuten sich Zines verstärkter Beliebtheit, da ab da Kopieren einfacher und günstiger wurde und somit auflagenstärkere Zines herausgebracht werden konnten. Auch die Punk-Bewegung, die gegen etablierte Medien und das Establishment im Allgemeinen war, nutzte Zines als eigenen Kommunikationskanal, um Konzerte anzukündigen oder Bands vorzustellen.
Auch für queere Menschen waren Zines eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit. Solange die Medien ihnen keine Plattform boten und gerade während der AIDS-Epidemie wurden Zines genutzt, um vor HIV zu warnen, aber auch um auf Ressourcen aufmerksam zu machen, aufzuklären und eigene Narrative zu setzen.
Mit der Geburt des Internets verloren Zines an Bedeutung oder wanderten in die digitale Welt ab (E-Zines), da Foren und digitale Gemeinschaften ähnliche Aufgaben wie Zines übernehmen konnten, nämlich Vernetzung, Austausch und selbstbestimmte Darstellung von Informationen. Dennoch gibt es auch heute noch analoge Zines, die Künstler:innen die Möglichkeit bieten, sich zu präsentieren, oder aus Fangemeinschaften heraus entstehen. Wer die Augen auf Tumblr, AO3 oder auch Instagram offenhält, kann immer wieder Beiträge finden, die auch in Fanzines publiziert wurden.
Das Internet bietet aber noch eine weitere Möglichkeit in Bezug auf Zines, nämlich ihre Digitalisierung und damit Aufbewahrung für die Zukunft. Da Zines in kleinen Auflagen und für gewöhnlich von Privatpersonen publiziert werden, sind sie besonders anfällig dafür, verloren zu gehen. Das Queer Zine Archive Project [https://archive.qzap.org/index.php] sammelt queere Zines und stellt sie digital allen Interessierten zur Verfügung. Die meisten der gesammelten Publikationen sind englischsprachig und aus englischsprachigen Ländern, aber es gibt auch Beiträge aus z. B. dem Libanon oder Deutschland. Interessierte an queeren Zines finden hier reichlich Auswahl zum Stöbern.
Nicht lang fackeln, Zines machen
Wer eher Lust bekommen hat, ein eigenes Zine zu erstellen, der:die schnappe sich Stift und Papier und lege los! Online finden sich zahlreiche Anleitung, wie man ein Zine falten kann, oder man tackert/klebt/bindet Papier zusammen. Auch thematisch sind keine Grenzen gesetzt: Ob politische oder persönliche Inhalte, Zines sind ein vielfältiger und individueller Gestaltungsraum. Für diejenigen, die doch noch ein paar Anregungen möchten, folgen hier meine Zine-Ideen:
- Du bist auf der Suche nach einem Geschenk? Wie wäre es mit einem Rezepte-Zine mit allen deinen liebsten Plätzchen-, Kuchen- oder Koch-Rezepten! Die Zutatenliste und die Anleitungen kannst du mit kleinen Zeichnungen illustrieren.
- Du willst lieber eine Gruppenaktivität? Dann veranstalte einen Zine-Abend! Lade dazu ein paar Freunde ein, macht Kinderpunsch warm und arbeitet zusammen an Zines. Ihr könnt alle euren eigenen Zines erstellen oder kommunal arbeiten. Wenn ihr letzteres tun wollt, gebt eure Zines im Kreis herum – ihr könnt gemeinsame Gedichte schreiben, Zeichnungen anfertigen oder wie bei Gartic Phone euch gegenseitig zu künstlerischen (und komischen) Höchstleistungen auffahren lassen.
- Doch lieber ganz privat? Dann erstelle ein Tagebuch-Zine, in dem du die wichtigsten Ereignisse deiner Woche/deines Monats verarbeitest. Du kannst Zeichnungen nutzen, Zitate festhalten oder Eintrittskarten aufkleben. Diese Zines ergeben dann eine coole Chronik deines Lebens.
- Zine ja, und du hast ein Thema, das dir auf den Nägeln brennt? Wunderbar, dann erstelle doch ein Zine, in dem du über ebendieses Thema aufklärst und anderen Menschen einen Einstieg ermöglichst! Weiterführende Infos lassen sich auch gut über QR-Codes in Zines vermitteln. Deine fertigen Zines kannst du dann an Freunde und Bekannte verteilen oder an entsprechenden öffentlichen Orten platzieren, wo Passanten sie mitnehmen können.