Ein Kommentar von Male

CN: Depressionen, Zukunftsangst, Einsamkeit

Mir geht es gerade nicht so gut – das sage ich inzwischen auch schon seit ein paar Monaten. Das ist gerade so eine Phase, ein bisschen mehr Weltschmerz, ein paar mehr zwischenmenschliche Konflikte, ein bisschen depressiver als sonst. Das wird schon wieder – das sage ich inzwischen auch schon seit ein paar Monaten.

Ich probiere irgendwie klarzukommen, mit all dem zurechtzukommen, durch diese Phase durchzukommen. Ich probiere durchzuhalten, mich nicht zu verlieren, mich selbst zu erhalten. Seit ein paar Monaten, mache ich die Erfahrung, dass es mir gleichzeitig so gut UND so schlecht geht, wie schon wirklich lange nicht mehr. Und das ist eine wirklich verwirrende Erfahrung. Ich weiß nicht, ob ich jemals schon so ein gutes, haltgebendes Umfeld hatte, wie jetzt gerade.

Ein Umfeld, mit so einigen Menschen, die mir richtig guttun. Ich bin inzwischen besser darin geworden, zu erkennen, wer mir guttut und wer nicht und lerne daraus, dass es okay ist, Menschen, die mir guttun und Zeit mit ihnen, zu priorisieren. Mein Umfeld hilft mir dabei, zu lernen Bedürfnisse zu erkennen, Grenzen zu setzen und mal wieder für mich selbst einzustehen. Gleichzeitig vollführe ich einen Drahtseilakt zwischen schwierige Gespräche suchen, Konflikte angehen, hoffentlich lösen und mich davor drücken, Konfrontationen vermeiden, Bedürfnisse und Gefühle doch wieder runterschlucken.

Alles fühlt sich so schwer an, ich habe keine Energie, egal wofür. Wenn ich keinen zeitlich gebundenen Termin habe, habe ich keine Motivation aufzustehen. Also frage ich manchmal meine Mitbewohnis, wann sie am nächsten Tag losmüssen, um mir dann einen frühen Wecker zu stellen, damit wir uns morgens einmal kurz sehen. Ich schaffe mir einen Grund aufzustehen.

Ich führe mit friends regelmäßig Gespräche darüber, dass wir gar nicht wissen, was wir momentan so essen, weil wir so gut wie nie Hunger haben, Appetit auch äußerst selten, meistens eher so Übelkeit. Zeit oder Energie zum Kochen, geschweige denn zum Einkaufen? Fehlanzeige. Und wenn ich dann mal koche, habe ich spätestens, wenn mein Essen fertig ist, wirklich keine Lust mehr drauf. Also setze ich darauf, mit anderen zu kochen und zu essen oder dass Essen eine gute Beschäftigung beim Serie gucken ist. Eine Folge als ein Grund aufzuessen.

Fast bin ich froh, dass ich gesundheitlich bedingt gerade nicht so viel Sport machen kann, denn sonst müsste ich dafür auch noch die Energie finden. Was eigentlich nie Kraft gebraucht hat, was schon so lange Teil meiner Routine war, was mir doch eigentlich auch wirklich gut tut, fühlt sich gerade so unmöglich an. Also melde ich mich für den nächsten Wettkampf an, setze mir ein neues Ziel damit ich einen Grund habe, mal wieder Sport zu machen. Weil es mir dann ja doch guttut.

Wenn es mir früher nicht gut ging, habe ich oft darüber nachgedacht, wie viele Serien ich noch nicht zu Ende geguckt habe, wie viele Lieder ich noch nicht gehört habe und was ich an Büchern noch nicht gelesen habe. Der dritte Teil der einen Trilogie, das neue Buch einer Lieblingsautorin, all die Bücher, von denen ich noch nicht weiß, dass ich sie mögen werde. Das war immer zumindest ein kleiner Grund in die Zukunft zu blicken, etwas worauf ich mich freuen konnte. Heute lese ich Bücher, die ich sonst in 2 Tagen gelesen habe in 2 Wochen und bin immer mehr frustriert davon, dass ich so langsam lese und dass auch das mich so viel mehr Energie kostet als früher. Ich gucke mir meinen Stapel ungelesener Bücher an, mein Bücherregal voller Bücher, die ich gerne nochmal lesen würde, meine unendlich lange Wunschliste. Vielleicht kann ich mich ein bisschen zum Lesen zwingen. Und vielleicht reicht das, bis es mir wieder leichter fällt zu Büchern statt zu meinem Handy zu greifen.

Momentan tue ich mich sehr schwer damit, in die Zukunft zu schauen. Bald – also eigentlich jetzt schon – muss ich mir überlegen, was als nächstes kommt, bald wird es nicht mehr so sein wie es jetzt ist, bald ziehen die ersten Leute hier weg und ich bin nicht bereit mich mit irgendwas davon auseinander zu setzen. Also begrenze ich meinen Zukunftsausblick. Dezember, Januar, weiter denke ich gerade nicht. Die Zeit bis dahin probiere ich mir mit guten Dingen zu füllen: Konzerte, Zeit mit Menschen, die mir guttun, mein Ehrenamt, das mich erfüllt, Auszeiten – für mich alleine und mit anderen. Ein Grund, nein mehrere Gründe, die nächsten paar Monate noch nicht ganz abzuschreiben.

Einsamkeit, noch so ein Thema, das mich seit längerem beschäftigt. Ich habe gesagt, dass ich ein gutes Umfeld habe und ich habe sogar das Glück eine gute WG Wohnsituation zu haben, in dem ich viel seltener allein bin als früher und damit ist auch mein Einsamkeitsgefühl zurück gegangen, aber weg ist es nicht. Ich frage mich langsam, ob das jemals wieder weg geht. Dieses Gefühl schlägt unglaublich schnell zu: Wenn ich zu lange alleine zuhause bin oder wenn ich einen schlechten Tag habe oder wenn ich mitbekomme wie andere etwas zusammen machen und ich nicht dabei bin, nicht dabei sein kann, oder wenn ich in einer Gruppensituation mal wieder das Gefühl habe, das fünfte Rad am Wagen zu sein oder wenn alle wen haben mit dem sie gemeinsam ihre Zukunft planen oder wenn ich mich – mal wieder – an die Abwesenheit einer Person gewöhne, bei der ich – mal wieder – dachte, dass wir es schaffen den Kontakt zu halten. Ich kann allein sein und mich einsam fühlen und ich kann unter Menschen sein und mich einsam fühlen, da bin ich wirklich gut drin. Ich frage mich regelmäßig, ob es mir irgendwann mal nicht so gehen wird. Ist der Versuch das herausfinden zu wollen Grund genug?

Umso dankbarer bin ich für die Tage und die Menschen, die es schaffen, diese Einsamkeit zumindest für eine Weile zu vertreiben. Diese Menschen, die es schaffen mir Energie zu geben, um die Dinge zu tun, die ich entweder wirklich gerne mache oder halt wirklich dringend tun muss. Diese Menschen, die das Talent haben, dass es mir nach dem wir Zeit miteinander verbracht haben, so viel besser geht als vorher. Diese Menschen, mit denen ich über das meiste hiervon reden kann und auch schon geredet habe. Diese Menschen, die mich fragen, was ich gerade brauche, ob sie etwas für mich tun können. Diese Menschen, die mich einfach mal in den Arm nehmen. Diese Menschen, die mir Halt geben.

Seit Anfang des Jahres habe ich die Kraft von Community entdeckt. Community, die mich hält, mit der ich mich weniger alleine fühle, mit der ich das Gefühl habe, gemeinsam zu kämpfen. Ich habe Community Gefühle auf Demos, in meiner ehrenamtlichen Arbeit, wenn ich bestimmte Musik höre. Ich habe Community Gefühle, wenn ich mit meiner WG Zeit verbringe, bei Ehrenamtstreffen, bei gemeinsamen Co-Working Sessions, und manchmal auch wenn ich in bestimmte Chats reinschaue. Community gibt mir Halt.

Ich probiere anderen Halt zu geben, in dem ich immer wieder Bildungsarbeit leiste, auch wenn es alles andere als leicht ist. Es gibt mir Halt, immer wieder ganz offen ich zu sein, für mich einzustehen, zumindest irgendwas zu tun. Es gibt mir Halt, dass ich das nie allein mache. Es gibt mir Halt zu wissen, dass ich gerade vielleicht, hoffentlich, anderen das geben kann, was ich selbst gebraucht hätte, manchmal immer noch brauche. Sichtbar queere Menschen, das Wissen, wer ich sein kann außerhalb all dieser normativen Strukturen, die Zuversicht, dass ich irgendwann nicht mehr alleine anders bin, dass es irgendwo da draußen eine Community für mich gibt.

Ich habe eine Community, die mir Halt gibt und Menschen, die mir helfen immer wieder Halt zu finden. Ich habe Menschen, die (mit mir) Haltung zeigen und die mich halten, wenn ich das brauche. Ich gebe mir Mühe meinen Teil dazu beizutragen, mich selbst zu halten, Gründe zu finden, an denen ich mich festhalten kann. Ich gebe mir Mühe mich nicht nur von anderen halten zu lassen, aber es hilft so sehr zu wissen, dass wir uns gegenseitig halten können, dass ich das nicht alleine schaffen muss, dass Community bedeutet füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen, sich gegenseitig zu halten.