Von Lis Walter

Zwischen modernen Glasbauten, in denen Menschen tagein und tagaus umständliche Dinge in ihren Computer tippen. Inmitten von Clubs und Bars, in denen Menschen schunkeln und tanzen und mittendrin in einer Stadt, die mit Räumen und Menschen gefüllt ist, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt sicherlich auch einmal gewünscht haben, endlich erwachsen zu sein.

Da sitze ich. 22 Jahre alt. In einer aus Decken gebauten Höhle, mit einer Kopflampe auf meiner Stirn „Alice im Wunderland“ lesend, stelle ich mir die Frage, wieso denn eigentlich so viele Menschen so schnell erwachsen werden woll(t)en.

Werd du mal erwachsen“, hat mein Opa immer geraunt und damit das Ende einer Diskussion angedeutet. Als wäre nicht erwachsen sein einfach ein (Aus-)Schlussargument. „Wenn du nämlich erwachsen bist, dann …“ – Was dann, was passiert dann? Ja, klar, denke ich mir, ich kann jetzt auch um 2 Uhr nachts ungestört Nudeln kochen, Menschen, ganz einfach ohne Heimlichtuerei mit in mein Bett nehmen oder den ganzen Tag nackt durch meine Wohnung springen, aber wirklich erwachsen fühle ich mich damit auch nicht.

Ganz platt gesagt bedeutet Erwachsen sein ja doch irgendwie nur: Verantwortung übernehmen, Steuern und Rechnungen (selbst!!!) zahlen, Lohnarbeit, Eierlikörpralinen essen und plötzlich mit Sie angesprochen werden. Ganz toll klingt das irgendwie nicht so. Bis auf die Eierlikörpralinen vielleicht. Wie wird mensch nun erwachsen und was soll das alles bringen, frage ich mich und greife dabei in mein Geheimfach und hole eine Packung Eierlikörpralinen heraus. Google hilft: „Wie werde ich erwachsen?“ – 16.000 Treffer: Sei dir deiner Konsequenzen bewusst, übernimm Verantwortung, sei dankbar. Klar, können das auch Eigenschaften sein, die Menschen erwachsen fühlen lassen, aber nach einem vollendeten Rezept klingt das für mich nicht. Vielleicht ist Erwachsen sein auch nicht das, was Familie, Umfeld und Gesellschaft damit verbinden.

Erwachsen sein muss nicht einen Job, Familie und Haus haben bedeuten und nicht erwachsen sein muss nicht gleichbedeutend mit Tollpatschigkeit, Respektlosigkeit und Launenhaftigkeit sein. Langsam blinzeln meine Augen über den Tellerrand mit Kürbissuppe hinaus und sehen, dass das, was die Gesellschaft sagt, für mich/dich/uns/euch gar nicht so stimmen muss. Feste Kategorien können auch ganz schön starr und nervig sein. Mein nicht-erwachsenes Ich zum Beispiel geht manchmal auch ganz gern Problemen aus dem Weg, kichert, wenn Freund*innen über Sex reden, ruft meine Mutter an, wenn ich planlos vor einem Brief vom Finanzamt stehe und verbringt auch gerne mal Zeit in einer Deckenhöhle. Mein erwachsenes Ich kann aber auch Dinge wie Verantwortung für safen Sex übernehmen, für Freund*innen und Partner*innen da sein, Menschen immer mit einer empathischen Grundhaltung begegnen und realisieren, dass das Leben manchmal echt schön sein kann. Und manchmal aber auch ganz schön blöd und hässlich.

Ich glaube, Menschen sind weder erwachsen, mit 18, 22 oder 40 Jahren, noch wenn sie von Zuhause ausziehen, noch mit dem ersten Mal verliebt sein, noch mit dem Verdienen von Geld mittels Lohnarbeit, noch wenn geheiratet wird. Ich glaube, Menschen können erwachsen sein, wenn sie sich erwachsen fühlen. Oder nicht-erwachsen sein, solange sie nicht-erwachsen sein wollen. Vielleicht magst du auch manchmal erwachsen sein, manchmal nicht. Auch voll ok. Letztendlich ist Erwachsensein das, was du damit verbindest – oder eben nicht.