Coming-out-Story von Steffi

Ich bin bisexuell. Das weiß ich ungefähr, seit ich 21 bin. Anzeichen waren schon vorher da, aber erst mit 21 konnte ich all diese Punkte verbinden. Das lag unter anderem auch daran, dass nicht hetero zu sein in meinem Heimatdorf schlichtweg keine Option war. Besser wurde das, als ich zum Studieren wegzog. So diversifizierte sich auch mein Freund*innenkreis. Und ich lernte neue Seiten an mir kennen, die aber eigentlich schon immer da waren. Nachdem ich dann für mich verstanden hatte, dass ich nicht hetero bin, kam der nächste Schritt: ein Coming-out. Ich war stolz und fühlte mich mit mir im Reinen. Das wollte ich so auch nach außen tragen.

Aber mit dem Coming-out bei verschiedenen Leuten kamen auch verschiedene Fragen. Fragen wie: „Bist du dir sicher?“ oder „Aber du hattest doch noch nie etwas mit einer Frau?“.

Manchmal konnte ich diese Fragen gut wegstecken. Manchmal ließen sie mich jedoch an mir selbst zweifeln. War ich denn nun wirklich bisexuell? Vielleicht bildete ich mir das alles auch nur ein? Tat ich es gar für Aufmerksamkeit? Um mir einen Platz in der LSBTIQ-Community zu erschleichen?

Let’s talk about Bi-Erasure. Unter Bi-Erasure versteht man gemeinhin das Unsichtbarmachen von bisexuellen Personen. Das kann durch das Absprechen der eigenen Bisexualität durch andere geschehen („Bist du dir sicher, dass du nicht nur verwirrt bist?“), das Verleugnen bisexueller historischer Persönlichkeiten bis hin zu der Behauptung, es gebe Bisexualität überhaupt nicht.

Ich wusste es lange Zeit nicht, aber auch ich wurde immer wieder mit Bi-Erasure konfrontiert. Es fing damit an, dass ich mich von manchen Personen etwas „belächelt“ fühlte, wenn ich mich als bisexuell outete. Die Frage, ob ich mir auch sicher sei, ist an sich schon verletzend genug, denn sie spricht mir die Kompetenz, über meine Sexualität selbst zu entscheiden, ab.

Auch eine weitere leidige Frage, die immer wieder kommt, ist: „Hattest du denn was mit einer Frau?“ Diese Frage wurde mir nicht nur am Anfang bei meinem Coming-out gestellt, sondern kommt immer wieder. In regelmäßigen Abständen muss ich bei manchen Personen Zeugnis darüber ablegen, ob ich denn nun schon etwas mit einer Frau gehabt habe, damit im Anschluss über die Validität meiner Bisexualität entschieden werden kann.

Wie übergriffig diese Frage nach meinem Sexleben ist, die auch immer wieder gerne aus heiterem Himmel mitten im Gespräch gestellt wird, muss ich an dieser Stelle wohl nicht extra betonen. Viel mehr noch stört mich, dass mir meine Bisexualität anscheinend erst voll anerkannt werden kann, wenn meine Sexualpartner*innen abwechselnd männlich und weiblich sind.

An dieser Stelle möchte ich ganz gezielt zu allen Personen sprechen, die mir jemals diese Frage gestellt haben: Selbst wenn ich bis ans Ende meines Lebens nie etwas mit einer Frau haben sollte, bin ich trotzdem nicht weniger bisexuell. Ihr entscheidet das nicht. Ich alleine entscheide das.

Seit etwas über einem Jahr bin ich nun mit meinem Freund zusammen. Wir sind sehr glücklich miteinander und ich liebe ihn. Und das macht mich kein Stückchen hetero.

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Aus der out! – Zeitschrift des Jugendnetzwerks Lambda e.V. (Herbst 2020, Nr. 53). Die ganze Ausgabe gibt es hier.

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