Ständig ist die Rede von „DER Community“. Wir widmen sogar eine ganze Ausgabe der out! diesem Thema. Doch was ist diese queere Community überhaupt, und wie wird man Teil davon?

Platzhalter*in-Kolumne von Aaron Auchter

Auf der Suche nach Antworten wende ich mich ans Internet. Wie auf die meisten Fragen, finden sich auch hierzu Meinungen in Onlineforen. Doch die Ideen, wie man denn nun Mitglied wird im Club der Queers, gehen stark auseinander.

Mehrere schreiben, man sei automatisch Teil der Community. Andere meinen, dass nur wer sich aktiv, etwa in Gruppen, beteiligt, die Mitgliedschaftsbedingungen erfüllen würde. Und vereinzelt finden sich auch kritische Stimmen, die sich fragen, ob es denn diese eine Community überhaupt gibt, denn wir seien doch alle so verschieden. Und ob man sie überhaupt braucht. Der Romantiker in mir findet die erste Antwort am schönsten.

Und ich habe durchaus das Gefühl, dass es da etwas gibt. Eine Art Zusammenschluss, nicht auf dem Papier, sondern mehr in Gedanken.

Von Menschen, die sich alle irgendwie als queer identifizieren. Die dadurch, dass sie alle mit der cis-Heteronormativität brechen, ein Verständnis füreinander haben. Und die sich gegenseitig bestärken, gemeinsam füreinander einstehen und auch auf diejenigen achten, die sich gerade noch finden.

Ich persönlich habe leider keine klare Antwort darauf, ab wann ich mich als Teil der Community sah. Denn erst, als ich meine Mitgliedschaft schon längst hatte, ist mir aufgefallen, dass ich auf einmal Teil von etwas bin. Das war auch schon so, bevor ich meinen ersten CSD oder eine Jugendgruppe besucht hatte.

Denn ich habe mich schon davor aufgenommen gefühlt, von Menschen, die ihr queeres Leben online teilen, die für Sichtbarkeit sorgen und damit für Menschen da sind, die physisch noch keine queeren Kontakte knüpfen konnten und (erstmal) anonym bleiben wollen.

So erleichtern Instagram, Facebook und Co heute den Zugang zur Community. Dennoch ist die erste physische Kontaktaufnahme für viele immer noch mit Überwindung verbunden.

Noah beschreibt die Situation so: „Nachdem ich aus den Untiefen der U-Bahnstation Konstablerwache in Frankfurt wieder ans Tageslicht kam, brauchte ich eine Weile zur Orientierung. Ich sah eine Traube junger Menschen, die entspannt vor einem Eingang standen. Vorsichtshalber wechselte ich die Straßenseite. Ja – es war DER Eingang. Es hatte Fenster. Man konnte gesehen werden. Umkehren?

Ich war 16 und niemand wusste, dass ich trans* bin, niemand wusste, wie ich hieß, ich hasste mich und die Welt. Ich war einsam. Und ich war nicht fast eine Stunde in eine mir unbekannte Stadt gefahren, um aufzugeben. Ich überquerte die Straße und näherte mich dem Eingang. Schritt durch das rauchende Grüppchen und trat ein. Schüchtern setzte ich mich in eine Ecke. Die anderen nahmen mich und meine Unsicherheit wahr und begannen ein Gespräch. Ich blieb. An diesem Abend wurde ich zum ersten Mal mit meinem neuen Namen gerufen.

Jede Woche kam ich wieder. Ich fand Freund*innen. Verbündete mich und wurde stärker. Zwar rauchte ich nie, doch stand ich auf der Straße im Abendlicht und kam mir verwegen vor – weil ich gesehen werden konnte. Ich gehörte zu diesen anderen Queers und sie zu mir. Das hat sich nicht geändert. Ich fühle mich zugehörig, ich liebe die CSD-Demonstrationen und engagiere mich in der Community. Denn es hat mich geprägt, dass ich nicht allein war, als ich andere brauchte.“

Genau das ist es, was für mich diese Community ausmacht. Doch leider gibt es auch Situationen, in denen Menschen die Community nicht als offen und inklusiv wahrnehmen. Zum Beispiel schließen manche Aussagen auf Dating Apps aus. User*innen, die es als „Präferenzen“ tarnen, wenn sie zum Beispiel an „fats, fems, asians“ kategorisch Interesse verneinen. Dass das als „Präferenz“ verkleidete Diskriminierung ist, ist offensichtlich.

Auch trans* Menschen berichten immer wieder von transfeindlichen Aussagen in homosexuellen Räumen, und viele Frauen beklagen eine Unsichtbarkeit ihrer Lebensrealitäten.

Solche Erfahrungen lassen Zweifel aufkommen, ob es diese eine queere Community gibt. Es scheint, als gäbe es verschiedene Kreise, die unterschiedlich inklusiv sind.

Dennoch möchte ich den Community-Gedanken nicht völlig aufgeben. Dass nicht alle überall willkommen geheißen werden, ist ein Problem. Daran müssen wir arbeiten. Das spricht aber nicht für die gesamte Community, denn da gehören, zumindest nach meinem Verständnis, alle dazu, egal ob aktiv Teil von Veranstaltungen und Gruppen oder nur durch die eigene Beschreibung als LSBTQI.

Und es muss auch keinen festen Punkt geben, ab wann eine Person Teil der Community ist, solange sich alle willkommen fühlen. Und daran müssen wir (wie in allen Lebensbereichen) konstant arbeiten. Denn wir haben doch etwas Großes, was uns eint. Nämlich das Verständnis füreinander.


Platzhalter*in

Du hast eine Meinung? Hast dich mal wieder richtig geärgert? Über eine politische Entscheidung oder etwas in deinem persönlichen Umfeld? Oder hast etwas Lustiges, Absurdes, Schönes, Spannendes, Bewegendes, Ärgerliches oder Herzerwärmendes erlebt? Und du willst anderen jungen queeren Menschen davon erzählen? Dann ist Platzhalter*in der Ort dafür!

Platzhalter*in ist die Kolumne in der out!, die deiner Meinung, deinen Gedanken und Gefühlen einen Ort gibt. Wenn du Interesse hast, schreib einfach an outredaktion@lambda-online.de. Platzhalter*in – Deine Stimme. Dein Platz.

Aus der out! – Zeitschrift des Jugendnetzwerks Lambda e.V. (Winter 2020, Nr. 54). Die ganze Ausgabe gibt es hier.