Ines-Paul Baumann arbeitet im queeren Beratungszentrum rubicon in Köln und unterstützt queere Menschen mit Kindern und Kinderwunsch. Ines-Paul spricht über die häufigsten Fragen von Regenbogenfamilien, Hürden und eine fehlende dritte Linie.

Von Fabian Schäfer


Ines-Paul, welche Frage hörst du in der Beratung am häufigsten?

„An was müssen wir alles denken, um unsere Idee von Familie zu verwirklichen? Wie kommen wir dahin, wie können wir das absichern?“

… und was antwortest du darauf?

Zuerst frage ich immer, wie genau denn die Idee von Familie aussieht, um die es geht. Es gibt ja nicht „die eine“ Form von Regenbogenfamilie. Als nächstes finde ich wichtig, wie die Ratsuchenden denn bisher ihre Ziele erreicht haben. Worauf setzen sie? Manche möchten sich rechtlich so gut wie möglich absichern. Andere setzen ihr Vertrauen eher auf gemeinsame Prozesse: gut im Austausch miteinander sein. Die Strategien, in denen die Betroffenen gut sind und die ihnen gut tun, gilt es dann zu stärken.

Wovor haben angehende Regenbogeneltern am meisten Angst?

Naja, am Anfang steht ja meistens ein hoffnungsfroher Kinder-WUNSCH, nicht Ängste. Und wenn wir schon so selten „aus Versehen“ Familie werden, dann können wir das ja auch zu unseren Gunsten nutzen und fragen: Was WILL ich? Welche Personen sollen welche Rolle spielen? Im Vordergrund steht dann meistens der Wunsch, dass alles gut geht und stabil bleibt. Und damit sind dann auch am ehesten die Ängste verbunden.

An zweiter Stelle steht der Umgang mit den Institutionen. Vom Geburtsvorbereitungskurs bis zur Geburtsurkunde: Das ist ja alles noch sehr ausgelegt auf Elternschaft, die sich von heterosexuellen Cis-Menschen in monogamer Zweierbeziehung her denkt.

Auch für viele Regenbogenfamilien ist das wie eine innere Mustervorlage. Wie viel Sorge haben angehende Eltern, dass es ihre Kinder wegen gesellschaftlicher Vorurteile schlechter gehen könnte? Das ist unterschiedlich. Aber auch da bringen die meisten ja schon Erfahrungen mit: Es ist ja meistens nicht das erste Mal, dass sie sich mit gesellschaftlichen Vorurteilen auseinandersetzen müssen. Studien zeigen, dass das der sozialen Entwicklung der Kinder eher förderlich ist.

Wie akzeptiert sind Regenbogenfamilien in einer Stadt wie Köln, und wie geht es ihnen auf dem Land?

Institutionell hat sich da in Köln schon einiges getan, und das ist eine große Erleichterung. Im Alltag sind es aber dann ja doch die konkreten Menschen im Umfeld, die einer Regenbogenfamilie das Leben schwer oder leichter machen. Und da gibt es ortsunabhängig solche und solche.

Kommen Menschen erst zu euch, wenn sie sich schon ganz sicher sind, dass sie Eltern werden wollen?

Viele, ja. Hier zeigt sich vor allem, dass die Hürden noch viel zu groß sind. Allein der Gedanke, Eltern werden zu können, steht für viele gar nicht im Raum. Zu uns kommen vor allem weiße, gut gebildete, finanziell solide, mental sichere und wenig be-Hinderte Paare. Hier zeigt sich, wie wirksam bürgerliche Erwartungen an Elternschaft sind, die sich schon fast als innerer „Eltern-Führerschein“ in den eigenen Köpfen festsetzen.

Welche rechtlichen Hürden betreffen aktuell viele Regenbogenfamilien, und was müsste die Politik verbessern?

Das ganze Abstammungsrecht müsste reformiert werden. Zwei Mütter, zwei Väter, Mehrelternschaft, Intersexuelle, trans* Männer als gebärende Väter, … Dass eine Geburtsurkunde nur Platz bieten soll für je genau eine Person mit dem Geschlechtseintrag „weiblich“ und „männlich“, das passt heute einfach nicht mehr. Und grenzüberschreitend wird es nochmal schwieriger. Schon innerhalb der EU kann das zu großen Problemen führen.

Reichen die aktuellen Beratungskapazitäten für Regenbogeneltern aus?

Nein. Es gäbe viel mehr Anliegen.

Du bist selbst mit zwei anderen Menschen Elternteil von zwei Kindern. Welche rechtlichen, gesellschaftlichen oder ganz alltäglichen Schwierigkeiten können da auftreten?

Für uns bisher? Null, im Gegenteil, ich finde es zu dritt ausgesprochen super. Klar, wir müssen schon bei jedem Formular eine dritte Linie zum Unterschreiben ergänzen. Ich persönlich finde das lustig und empowernd. Aber wenn du da jedes Mal vor allem an deine fehlenden Rechte denkst, kann das schon belastend sein – insbesondere, wenn die ungleiche Verteilung von rechtlichen Positionen auch innerhalb einer Familie zu einem Machtfaktor wird.

Aus der out! – Zeitschrift des Jugendnetzwerks Lambda e.V. (Frühling 2021, Nr. 55). Die ganze Ausgabe gibt es hier.