Aus der Sommer-Ausgabe der out!: Nach dem Beschluss zur sogenannten „Ehe für alle“ 2017 haben sich viele außerhalb der Community gefragt, was wir denn jetzt noch wollten. Wir, die queere Community, hätten nun doch alles. Dass das so nicht stimmt, wird wohl schnell klar, denn Kämpfe gegen Diskriminierung und für Akzeptanz gehen weit über die Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Eheschließung hinaus. Um Handlungsbedarf zu finden, müssen wir auch nicht in die Ferne schauen. Denn auch in Deutschland gibt es noch so einige Kämpfe rechtlicher Natur, bei denen, wenn überhaupt, nur ganz langsam Bewegung aufkommt.

Von Aaron Auchter


Elyssa Fahndrich / unsplash

Nicht selten finden vermeintliche Positiventwicklungen statt, die bei genauer Betrachtung weiterhin Diskriminierung beinhalten.

So werden Männer, die Sex mit anderen Männern haben, genauso wie trans* Menschen weiterhin bei der Blutspende pauschal stigmatisiert. Statt der individuellen Risikoermittlung einer HIV-Infektion darf nur Blut gespendet werden, wenn der letzte Sexualkontakt mindestens zwölf Monate zurückliegt.

Eine Hilfe bei den Kämpfen gegen Diskriminierung wäre ein grundgesetzlicher Schutz.

So fordern viele Stimmen eine Ergänzung des Artikel 3 GG, der im deutschen Grundgesetz die Gleichstellung und den Schutz vor Benachteiligung regelt. Die momentane Gesetzesformulierung greift die queere Community nicht explizit auf und soll daher um die Aspekte sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität ergänzt werden. Damit sich dies ändert, ist auch Lambda Teil der Initiative „Grundgesetz für alle“.

Positive Entwicklungen gab es vergangenen März, was Operationen an intergeschlechtlichen Kindern angeht.

Nachdem für das Thema lange gekämpft wurde, wurden im März dieses Jahres operative Angleichungen an ein Normgeschlecht bei Kindern gesetzlich untersagt. Das ist ein Meilenstein im Schutz von inter* Kindern. Dennoch kritisieren Verbände die Lücken des Gesetzes, wie zum Beispiel, dass es nur Kinder mit der Diagnose „Variante der Geschlechtsentwicklung“ schützt. Kinder ohne die Diagnose könnten also weiterhin ohne ihre aktive Einwilligung operiert werden.

Die Freude war riesig, als die „Ehe für alle“ nach Jahren der Verpartnerung endlich kam.

Gleichzeitig war schnell klar, dass der Kampf diesbe-züglich nicht vorüber ist. Noch heute haben lesbische Paare rechtliche Benachteiligungen, wenn es um die Mutterschaft eines gemeinsamen Kindes geht.

Mehrere Klagen laufen aktuell gegen die momentane Praxis, nach der die Ehepartnerin einer Gebärenden erst über einem Adoptionsantrag Mutter des gemeinsamen Kindes wird. Die Öffnung der Ehe führte also nicht zu gleichen Rechten in der Elternschaft.

Ein weiterer großer Kampf ist das sogenannte Transsexuellengesetz, kurz TSG.

Von vielen Seiten wird eine Änderung der Regelung gefordert, wie trans* Menschen ihren Personenstand und Namen im Pass ändern können. Momentan werden zwei Gutachten benötigt, um den Ausweis an das eigene Empfinden und die oft schon gelebte Realität anpassen zu können. Diese Gutachten sind nicht nur teuer und langwierig, auch werden oft übergriffige Fragen gestellt, was als Eingriff in die Intimsphäre gewertet wird.

An die Stelle dieser Regelung soll ein Selbstbestimmungsgesetz, durch das die Gutachten entfallen und trans* Personen durch einen Gang zum Amt ihren Pass ändern können. Entsprechende Gesetzesvorschläge gibt es von den Grünen und der FDP. Diese wurden aber durch den Bundestag am 19. Mai 2021 abgelehnt. Der Kampf geht also weiter.

Aber auch unbewusst kann es zu Benachteiligung queerer Menschen kommen, wenn ihre Lebenssituationen einfach nicht mitgedacht werden.

So haben die unterschiedlichen Kontaktbeschränkungen der Pandemie gezeigt, wie meist von klassischen heteronormativen Familien und Partnerschaften ausgegangen wird. Menschen in polyamorösen Beziehungen zum Beispiel werden vergessen, wenn man sich auf den Kontakt zu einer einzelnen Beziehungsperson beschränken muss.

Auch ist das Familienverständnis vieler queerer Menschen ein anderes, da sie sich öfter eine Wahlfamilie aufbauen, wenn der Kontakt zur leiblichen Familie schlecht ist. Diese alternativen Familienentwürfe sind in den Pandemieregelungen immer wieder ignoriert worden.

Man muss nicht lange überlegen, um weitere Baustellen in Deutschland zu finden. Queere Inhalte im Schulunterricht, das Benutzen gendergerechter Sprache oder die Anerkennung nicht-binärer Geschlechtsidentitäten sind immer wieder teils sehr öffentlichen Angriffen ausgesetzt.

Nun kann die Liste an Hürden und Diskriminierungen ganz schön erschlagend wirken. Doch man darf nicht vergessen, welche Errungenschaften schon erreicht wurden. Der Kampf ist zwar lang und mühsam, doch er lohnt sich!

Aus der out! – Zeitschrift des Jugendnetzwerks Lambda e.V. (Sommer 2021, Nr. 56). Die ganze Ausgabe gibt es hier.