Artikel von Lis Walter in der out! – Zeitschrift des Jugendnetzwerks Lambda e.V.


Der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates kam vor kurzem zu dem Schluss, dass der Klimawandel durch die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen schneller und folgenschwerer verläuft als Forscher*innen es bisher dachten. Die zahlreichen Klimafolgen, von denen wir Extremwetterereignisse, wie das Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ganz nah spüren konnten, sind schnell(er) eingetreten und werden dies auch in den kommenden Jahrzehnten weiterhin tun.

Das heftige Hochwasser war in Deutschland zwar ein großer Schock. Im Globalen Süden ist die Klimakrise hingegen schon lange grausame Realität. Wie funktioniert das klimagerechte Leben für alle? Kämpfe verbinden lautet das Zauberwort.

Dort und überall sind es vor allem marginalisierte Menschen wie Queers, Migrant*innen, BI-POCs und be_hinderte Menschen, die an mehreren Fronten vor einer Katastrophe stehen: Die Klimakrise ist metertief verwurzelt in historisch miteinander verwobene Unterdrückungssysteme, genannt Patriachat, Rassismus, Kapitalismus und Kolonialismus.

Unter der rücksichtslosen Ausbeutung des Planeten liegen dieselben Machtstrukturen, die zu der Ausbeutung von Frauen und Queers, zur Ausbeutung von Menschen und Rohstoffen des Globalen Südens und zur Diskriminierung von Queers und BIPOCs führen. Natürliche Ressourcen werden genauso ausgebeutet wie unbezahlte Sorgearbeit.

Die Schriftstellerin Audre Lorde hat es treffend formuliert „There is no thing as a single issue struggle, as we do not lead single issue lives“.

Mit anderen Worten: Es gibt keine globale Klimagerechtigkeit ohne differenzierte Kapitalismuskritik, ohne Antirassismus, Antiklassismus und Queerfeminismus. Die Aktivist*innen von „Ende Gelände“ formulieren dies in ihrem Selbstverständnis folgendermaßen:

Klimagerechtigkeit bedeutet, dass alle Menschen ein gutes Leben führen und alle die gleichen Chancen zu gesell-schaftlicher Partizipation haben können. Dafür müssen wir nicht nur den Kapitalismus überwinden, sondern auch patriarchale Gesetze, Normen und Rollenklischees.

Klimagerechtigkeitsgruppen versuchen immer mehr, queerfeministische und sozialökologische Fragen zusammendenken, um klarzustellen, dass Klimagerechtigkeit mehr bedeutet als Umweltschutz. Vielmehr geht es um soziale Gerechtigkeit, um die Überwindung von Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus und Neo-Kolonialismus. Es geht darum, die intersektionale Brille aufzusetzen und verschiedene (Unterdrückungs-)Perspektiven miteinzubeziehen.

Denn die Klimakrise macht nicht alle gleich: Ganz im Gegenteil verstärkt sie bestehende Ungleichheiten – auch für Queers, vor allem für die im Globalen Süden. Das bedeutet: Den Planeten retten, das heterosexistische Patriachat zerschlagen und ein gutes Leben für alle geht Hand in Hand.

Wie lassen sich queere Kämpfe und Klimagerechtigkeit nun praktisch verbinden?

2017 läuft der queerfeministische Finger von „Ende Gelände“ zu einer Aktion des zivilen Ungehorsams im Rheinland mit einem Banner mit der Aufschrift „Queer we go“ ins Braunkohlerevier. In England bildet sich die Rainbow Rebellion, eine Bewegung aus dem Inneren von „Extinction Rebellion“ und läuft mit einem Banner durch die Straßen, auf dem unter der Regenbogenflagge die Wörter „There is no pride on a dead planet“ ranken. Auf einem toten Planeten kann es keinen Pride geben.

Auch in Deutschland haben sich Aktivist*innen zu den Queers For Future zusammengeschlossen und fordern die queere Community auf, sich solidarisch mit dem Kampf für Klimagerechtigkeit zu zeigen – und auch zu handeln. Die Forderung der Queers For Future ist dabei vor allem, den Pride klimaneutraler zu gestalten. Dabei sollten Aktivist*innen und solidarische Menschen jedoch nicht auf einer Individualkritik verharren, sondern systemisch bleiben:

Zur Verantwortung gezogen werden sollten nicht diejenigen, die mit Glitzer und Konfetti beim Pride Spaß haben, sondern die Konzerne und Strukturen, die von Ausbeutung und fossilen Brennstoffen profitieren. Biologisch abbaubarer Glitzer und recyclebares Konfetti bieten eine Alternative, jedoch führt der systemische Versuch, das Narrativ der Verantwortung auf die Konsumentinnen abzuwälzen, in eine Sackgasse:

Die Rahmenbedingungen müssen grundlegend verändert werden. Sonst führt die Debatte ganz schnell in Richtung Klassismus, obwohl wir doch eigentlich Richtung gutes Leben für alle und jeden wollen.


Foto: Ende Gelände – Chilli Magenta

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