Wir, die trans* Beauftragten des FLINT*A Referats des Jugendnetzwerkes Lambda e. V. (Bundesverband), haben mit großem Interesse die veröffentlichten Eckpunkte zum nun hoffentlich auch schnell kommenden Selbstbestimmungsgesetz gelesen. Während wir das Gesetz sehr begrüßen und uns über viele Punkte freuen, haben wir aber ein paar Gedanken zu einigen genannten Eckpunkten, die wir im Rahmen dieses Briefes gerne in die kommenden Diskussionen einbringen möchten.
Wir freuen uns sehr über die in Zukunft ausreichende Selbsterklärung beim Standesamt für die Personenstands- und Vornamensänderung. Dabei wünschen wir uns, dass in der Umsetzung daran gedacht wird, Antragstellenden auch langfristig eine Sicherheit vor behördlicher Willkür zu gewährleisten. Es darf in keinem Fall dazu kommen, dass die Mitarbeitenden bei den jeweiligen Standesämtern darüber entscheiden dürfen, inwieweit der Wunsch nach der Personenstandsänderung legitim ist oder nicht. Viele trans* Personen machen im Alltag Erfahrungen, in denen ihnen ihre Identität von anderen nicht anerkannt wird. Es muss klar sein, dass Mitarbeitende keinerlei Freiraum haben, Antragstellenden ihren Wunsch zu verneinen – unabhängig von einer persönlichen „Ansicht“ über die Legitimität der Identität. Wir fragen uns: Planen Sie diesen Punkt mit einzubauen?
Wir freuen uns auch über das Vorhaben, für alle TIN Personen identische Verfahren anzuwenden. Unverständlich ist uns dagegen das Anheben der Altersgrenze auf 18 Jahre in Bezug auf die eigenständige Wahrnehmung des Rechtes auf Selbstbestimmung ohne elterliche Zustimmung. Wir sind traurig über die Anhebung der Altersgrenze auf 18 Jahre und halten weiter daran fest, dass bereits 14-jährigen diese Entscheidung eigenverantwortlich zuzumuten ist (vergleichbar mit der Religionsmündigkeit ab 14 Jahren).
Weiter wird in den Eckpunkten eine landesweite Beratungsmöglichkeit beschrieben. Während wir professionelle und wissende Beratung schätzen, erachten wir es als Betroffene als wichtig, dass zum einem die Beratungen langfristig und in jedem Fall freiwillig bleiben und keine Voraussetzung zur Personenstandsänderung wird. Zum anderen fragen wir uns, wie die Bundesregierung flächendeckende und kompetente trans*spezifische Beratung gewährleisten möchte? Beratungsstellen für trans* Menschen sind ohnehin wenig ausgebaut. Wie werden Sie dafür sorgen, dass diese Kapazitäten der Realität und dem vermutlichen Nachfrageanstieg angepasst werden?
Als sehr sinnvoll empfinden wir das Offenbarungsverbot. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass die Sanktionen ausreichend hoch sein sollten, um Zuwiderhandlungen tatsächlich zu minimieren. Im gleichen Zuge ist eine sensible, behördliche Bearbeitung der Vorfälle sicherzustellen.
Die aus den Eckpunkten hervorgehenden, geplanten Anerkennungsleistungen loben wir. Für die Betroffenen vergangener Zwangsoperationen ist dies ein Mindestmaß an Respektzollung.
Als deutlich zu unklar empfinden wir die Eckpunkte bezüglich dem Bereich Sport definiert. Wir fordern eine Regelung, welche den autonom organisierten Sport zu einem diskriminierungsfreien Raum für TIN Menschen macht und eine würdige Teilhabe ermöglicht.
In dem kommenden Gesetzgebungsprozess muss eine Mitwirkung Betroffener erfolgen sowie auf eine respektvolle Gesprächskultur in der politischen und gesellschaftlichen Debatte geachtet werden. Die Verhandlungen um das Selbstbestimmungsgesetz dürfen keine Bühne für trans*feindliche und hassfördernde Stimmen bieten.
Das FLINT*A Referat des Jugendnetzwerk Lambda e. V.
https://lambda-online.de/wp-content/uploads/2022/08/Stellungnahme_2022.pdf