Wir als Jugendnetzwerk Lambda e. V. (Bundesverband) haben in den letzten Monaten eine Liste queerpolitischer Forderungen erarbeitet, um queere Jugendpartizipation auch in Eigeninitiative zu ermöglichen. Unsere 10 wichtigsten Forderungen nennen wir hier.

Umfassendes und EU-weites Verbot von „Konversionstherapien“

Erklärung: „Konversionstherapien“ marginalisieren und pathologisieren queere Identitäten und können Betroffenen nachhaltigen Schaden zufügen. In Deutschland gibt es daher bereits ein Verbot von „Konversionstherapien“ ohne Einwilligung.

Wir fordern, dass dieses Verbot umfassend und einwilligungsunabhängig gilt und dass Deutschland sich dafür stark macht, eine solche Regelung auch EU-weit umzusetzen, um vor allem Kinder und Jugendliche vor „Konversionstherapien“ im Ausland zu schützen.

Selbstbestimmte Elternschaft für Alle

Erklärung: Insbesondere queere, inter* und trans* Personen sind auf Methoden der Reproduktionsmedizin angewiesen, um einen bestehenden oder zukünftigen Kinderwunsch umsetzen zu können. Dabei stoßen sie oft auf strukturelle Hürden und systemische Diskriminierung, zum Beispiel bei Fragen der Kostenübernahme für das Einfrieren von Geschlechtszellen bei einer Transistion. Aber auch ungewünschte und nicht abbrechbare Schwangerschaften können zu enormen Traumata führen.

Wir fordern daher eine barriere- und diskriminierungsfreie Reproduktionsmedizin sowie die allgemeine Zugänglich-keit von Schwangerschaftsabbrüchen, um den Weg zu einer gewünschten, selbstbestimmten Elternschaft zu ebnen.

Schutz vor Gewalt

Erklärung: In Deutschland ist seit einigen Jahren ein kontinuierlicher Anstieg an Gewalt gegen LSBTIQ* festzustellen. Es ist dabei Aufgabe des Staates, die körperliche und seelische Gesundheit aller seiner Bürger*innen zu schützen.

Wir fordern daher die ausreichende und vor allem langfristig gesicherte Finanzierung und flächendeckende Erreichbarkeit von LSBTIQ+ sensiblen Antigewalt-Programmen, Opferhilfe und Beratungsstellen.

Queersensible Zufluchtsräume

Erklärung: Auch queere Menschen sind immer wieder von häuslicher Gewalt betroffen, werden allerdings häufig von etablierten Schutzkonzepten wie Frauenhäusern nicht berücksichtigt oder aktiv ausgeschlossen.

Wir fordern daher die die Entwicklung von Konzepten für Zufluchtsräume, die queere Lebensweisen mitdenken. Das heißt, sie stehen für trans* Frauen und für nichtbinäre Menschen offen. Des Weiteren ist die bedarfsgerechte Unterstützung von Personen, die aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen fliehen, Teil des Portfolio einer solchen Einrichtung.

Schutz vor Obdachlosigkeit

Erklärung: Viele queere Jugendliche sind aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen.

Wir fordern, dass betroffene Jugendlichen in intersektional geschulten Einrichtungen geschützt und aufgefangen werden.

Lückenloser Schutz intergeschlechtlicher Kinder

Erklärung: Seit 2021 sind medizinisch nicht notwendige genitalverändernde Operationen bei intergeschlechtlichen Menschen ohne deren Einwilligung verboten. Dies bietet weiterhin Umgehungsmöglichkeiten.

Wir fordern, dass diese Gesetzeslücken umfänglich geschlossen werden und Eingriffe vollständig ausbleiben, wenn keine lebensbedrohliche Indikation vorliegt. Fälle von lebensbedrohlicher Notwendigkeit müssen strenger kontrolliert und für dieden Betroffenen zugänglich dokumentiert werden und dürfen nur nach umfangreicher und schriftlich dokumentierter Aufklärung erfolgen. Betroffene müssen dies auch als Grundlagen für spätere Klagen gegen solche Entscheidungen nutzen dürfen und Zugang zu Entschädigungsfonds bekommen können. Kosmetische Eingriffe dürfen nur mit der Zustimmung der Betroffenen selbst und nach ebenfalls umfänglich stattgefundener und schriftlich dokumentierter Aufklärung erfolgen. In die konkrete Gesetzeserarbeitung müssen Inter*-Verbände miteinbezogen werden.

Mentale Gesundheit als Grundvoraussetzung

Erklärung: Queere Kinder und Jugendliche sind durch die besonderen Herausforderungen in der Identitätsfindung, durch Diskriminierungs-erfahrungen und durch weitere gesellschaftlich bedingte Umstände im Vergleich zu nicht- queeren Menschen überproportional häufig von psychischen Erkrankungen betroffen.

Wir fordern, dass mentale Gesundheit im Kontext queerer Lebensreali- täten als grundlegende Herausforderung anerkannt und tiefgreifender erforscht wird, um sinnvolle und konkrete Maßnahmen flächendeckend und in nötigem Umfang realisieren zu können.

Hilfe zur Selbsthilfe

Erklärung: Selbstorganisation ermöglicht queeren Jugendlichen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote umzusetzen und Selbstvertrauen aufzubauen.

Wir fordern daher, dass selbstorganisierte queere Jugendstrukturen – insbesondere im ländlichen Raum – gefördert und geschützt und Beratungsangebote sowohl online als auch flächendeckend offline ausgebaut werden.

Schulische und öffentliche Aufklärung

Erklärung: Aufklärung im frühen Alter ist wichtig, um Vorurteile abzubauen und die Identitätsbildung zu unterstützen.

Wir fordern, dass geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Rahmenlehrplan aller Bundesländer fächerübergreifend thematisiert sowie schulische Projekte verstetigt und ausgebaut werden. Auch außerhalb des schulischen Kontextes braucht es noch mehr bundesweite Aufklärungskampagnen, die sich an alle Altersgruppen richten.

Abbau von Barrieren im SBGG

Erklärung: Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) soll die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag für inter- und transgeschlechtliche sowie nichtbinäre Personen erleichtern. Dabei gibt es allerdings noch viele Hürden.

Wir fordern, dass Barrieren wie die dreimonatige Wartefrist, die Begrenzung in Bezug auf Alter und Anzahl der Namensänderungen und die Einschränkung der Auswahlmöglichkeiten an Namen in Kombination mit Geschlechtseinträgen abgebaut werden, um das Gesetz besser für Kinder und Jugendliche nutzbar zu machen und an die queere Lebensrealität anzupassen.

Der Bundesvorstand des Jugendnetzwerk Lambda e.V.
Stand 17.05.2025